Das Nadelöhr


Bergmannssagen aus dem Harz, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig

Folgt man dem Goetheweg von Ilfeld in den Harz kommt man an einem Felsblock vorbei, der eine enge Spalte hat. Die Sage erzählt von diesem Felsblock, dass ihn einst ein Riese aus demSchuh geschüttet habe, weil der Block darin so drückte.
In alter Zeit mussten alle Fuhrleute, die ihre Waren in die anderen Harzdörfer bringen wollten oder Holz aus dem Walde zu holen hatten, an diesem Stein vorbeifahren. War nun ein Fuhrknecht neu eingestellt, so war es Brauch, dass er auf seiner ersten Fahrt unter dem Johlen und Lachen seiner Kameraden durch diesen engen Felsspalt kroch. Hinter ihm standen die anderen Knechte und halfen mit ihren Peitschen nach. Konnte er seinen Kameraden einen Taler bezahlen, brauchte er nicht hindurch.


Davon erzählt ein Gedicht:

 
Bei Ilefeld, da liegt ein Stein,
hat durch und durch ein Öhr.
Da ist ein Brauch, der ist nicht fein,
und doch lustiert er sehr.
Der Amtmann will, er soll nicht sein,
allein, wsas hilft ihm droh'n und schrei'n?

Kaum fährt ein neuer Knecht ins Holz,
flugs greifen die andern ihn,
er muss sich, sei er noch so stolz,
durch dieses Öhr bemüh'n.
Er kriecht, sie hau'n, und schreit der Knecht,
so ist's den andern eben recht.

Kauft er sich aber los mit Geld,
so braucht er nicht hinein.
Doch tut er's nicht, so muss der Held
dreimal so durch den Stein.
Dann ist er ein gemachter Mann,
der andre wieder hauen kann.

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